Gedanken zur Arbeit: Tränenbrunnen

Tränen fließen aus den Augen, doch sind Nase wie Mund stets beteiligt. Tränen haben etwas reinigendes, sie waschen die Trauer fort und sind Zeichen von Verarbeitung. Deshalb sind Mund, Nase und Augen auch ebenmässig und ohne Individualität gestaltet – Trauer geht vorüber und kann jeden treffen, doch es zerstört (meist) nicht unsere menschlichen Fähigkeiten, hier symbolisiert durch Sprechen (Kommunikation), Riechen (Freude am Genuss), Sehen (Wahrnehmen unserer Umgebung).

Vielerlei Anlässe der Trauer lösen Tränen aus. Wir werden von der frühen Kindheit an damit konfrontiert: Der Verlust eines Menschen; nicht nur durch Tod, auch durch Trennung oder Distanz. Der Verlust der persönlichen Freiheit. Die Ohnmacht gegenüber dem Schicksal. Der Zweifel am Glaubenssystem. Das Brechen einer Beziehung. Die Vernichtung von Ordnung durch Unruhe und Krieg. …

All dies umkreist uns alltäglich, zieht seine Kreise, trifft uns mal näher, mal ferner – wie ein Mobile.

KünstlerInnen verarbeiten meist Emotionen ihres eigenen Erlebens. Soll der Tränenbrunnen aber viele Arten von Verlust aufnehmen so bot es sich an, Laien zu integrieren, die Verlust persönlich durchleiden. Gemeinsam mit Häftlingen eines Gefängnisses entstanden „ihre“ Tränen der Trauer um den Verlust der Freiheit, der Gespräche mit den Kindern, der Abwendung geliebter Menschen.

Nicole Wessels

im Sept. 2008 anläslich der Ausstellung Lebenskunst Sterben
Das Werk wurde von der Katholischen Kirche gekauft und ist in Heidelberg im Garten der Jesuitenkirche zu besichtigen.