10.02. – 16.02. Colombo
Nach extrem stressigen Tagen – drei Wurzelbehandlungen, Vermietung des Hauses und Unmengen an beruflicher und schulischer Arbeit – sind wir komplett erschöpft zum Flieger gewankt: Mit 2 großen Rucksäcken (40kg), einem Schulranzen (5,9kg) und den daypacks. Diesmal wird Anouk richtig gefilzt, selbst ihre Socken und Schuhe werden händisch geprüft.
Im Flugzeug sind die beiden Kinder natürlich total aufgedreht, in Colombo pennen die beiden erstmal im Taxi ein…
Die ersten Tage hier sind heiß, schwül, bringen abendliche Gewitter und direkt das herrliche Essen, das für alles entschädigt.
Nach den Erfahrungen von 2012 wissen wir, wie man relativ schnell die Visa-Verlängerungen bekommt (es dauerte nur gut 3 Stunden). Dennoch erschlägt uns die Stadt: Komplett verstopfte Straßen, überall Baustellen, hoher Lärmpegel und massive Reich-Arm-Gegensätze.
Die Kinder bemerken es auch und stellen Fragen: „Was ist mit den Augen von der Frau, die mitten im Verkehr an den Autos bettelt?“ [und ihre leeren Augenhöhlen zeigt], „Warum hat der Mann nur noch ein halbes Bein?“ Diese Fragen geben Anlass ein wenig über Sozialsysteme und den Bürgerkrieg zu berichten.
Unsere Unterkunft geht in die Kategorie „reich“; die Familie vermietet aus Freude an Gästen zwei Zimmer in ihrem ganz modernen Designerhaus, hat Kinder in unserem Alter und gleiche Schul- und Berufsthemen. So war es heute, Samstag morgen, einfacher Anouk zum Lernen zu bewegen – die beiden kids hier sitzen auch über Mathe und Sinhala. (Sinhala = Singhalesisch, die Amtssprachen neben dem verbreiteten Tamil und Englisch)
Jetzt berichtet Anouk Ihrem Tagebuch über eine Begegnung; sie erlaubt mir den Text abzuschreiben:
13.02.2015
Heute war es voll langweilig.
Papa wollte sich einen Anzug schneidern lassen. Wir sind zu ganz vielen Läden gegangen. Als wir zum letzten Laden gehen wollten kamen wir an einem Mann vorbei. Er hatte einen Baby-Affen, eine Boa und eine Kobra. Den Affen hatte ich auf meinem Arm, und die Boa hatte ich um meinen Hals. Aber die Kobra durften wir nicht anfassen. Der Mann hat das Körbchen aufgemacht und die Kobra hat gefaucht und gefaucht. Mir wurde ganz heiß, weil der Papa mir erzählt hat, dass die Sri Lankischen Kobras beissen können. Wir haben uns bedankt und ich gab ihm Geld.
Das war ein aufregender Tag.
14.02.2015
Wir stürzen uns jetzt wieder in die laute, quirlige Großsstadt und besuchen den extem lebhaften, multikulti Stadtteil und Handelszentrum The Pettah.
In der Enge der Straßen und Häuserblöcke wird insbesondere mit importierten Waren aus Indien gehandelt. In tausenden von winzigen Läden treffen sich Großhändler, Zwischenhändler, Händler und Endkunden zu einem unaufgeregtem Handel.
Mittels Lastträgern, Schubkarren aller Art, Tuktuk, Lieferwagen und LKWs werden die Waren verteilt und nach ganz Sri Lanka gekarrt. Natürlich hat Nicole mitgehandelt, mich überforderte die schiere Masse des Angebotes.
Betrachte ich den Bauboom in Colombo, in dem indische und chinesische Investoren seit einigen Jahren komplette Stadtviertel mit Hochhäusern und Luxusimmobilien überbauen, und schaue ich mir die Lage von The Pettah zwischen Hafen und Hauptbahnhof an, so dürfte es in einigen Jahren auch Pettah an den Kragen gehen.
Auf der Heimfahrt muß noch schnell auf einer der Hauptschlagadern von Pettah das Rad unseres Threewheelers getauscht werden…
Dazu benötigt man eigentlich nur zwei Mann: Einer stemmt, einer schraubt!
Die blockierten Busse, Tuktuks und Autos nahmen es recht gelassen, das Hubkonzert war ganz erträglich…
Sonntag, 15.02.
Wir denken: „heute muss mal wieder ein Kinder-Tag sein!“ und beschließen den Zoo zu besuchen. Inzwischen sind wir so angekommen, dass wir den Bus wählen, mit Umsteigen. Busse kosten nur wenige Rupies, 20 €-Cent reichen für längs durch die Stadt. Die erste Reihe vorne rechts ist immer „Reserved for the clergy“ (Reserviert für den Klerus).
Mein Sinhala ist zwar so jämmerlich, dass ich die Adressen immer in meinem Notizbüchlein vorzeige, doch wir kommen zügig an – heute sind die Straßen nicht so voll. Der Schock am Eingang: Rund 50 € Eintritt für Ausländer! Mehr als ein halbes Tagesbudget! Die Reaktion der Kinder war noch erstaunlicher: „Das ist einfach zu teuer, wir machen etwas anderes!“
Ein Tuktuk bringt uns nach „Mount Lavinia“, dem Hausstrand der Colomber. Einen „Mount“ (Berg) gibt es dort nicht, aber einen netten Strand, der sich gegen nachmittag ordentlich füllt. Unsere Kinder sind bald im Spiel mit kleinen und großen Sri Lankern, das sandeln verbindet Nationen und Generationen…
Wir sprechen derweil mit Exil-Sri Lankern auf Heimaturlaub. Doch auch die wollen nicht über Politik reden und drehen das Gespräch immer wieder auf unverfängliche Themen.
Colombo, Montag, 16.02.2015
Wozu immer es nützen mag, wir beschließen für Wolfgang eine temporary driving permission zu besorgen. – Wen Bürokratie interessiert kann weiterlesen. Alternativ gleich WEITER klicken.
[Nachtrag August 2017: Es hat sich am Folgenden nichts geändert…]
Da die homepage des Verkehrsministeriums zuletzt 2011 aktualisiert wurde empfiehlt sich eine telefonische Abklärung – wozu man erst mal die richtige Nummer rausfinden muss…
Der „kleine Dienstweg“ klappte nicht: Sri Lanka ist nur ernährungsmäßig eine Bananenrepublik und Bestechung zumindest nicht wahrnehmbar. Also machen wir uns auf den Weg zu einer Adresse, die keiner kennt: R.M.V. Office, Department of Motor Treffic Rd., Werahera, Borelesgamuwa. Auf dem Weg lernen wir, wie Busfahrer auch sein können: „brutal“, so schreibt Anouk ins Tagebuch, ist gegenüber den 150 Fahrgästen, Verkehrsregeln und anderen Straßennutzern sehr freundlich ausgedrückt.
Im weitläufigen Verwaltungskomplex, der vielleicht mal eine Kaserne mit Flachbauten war, beginnt der Marathon: Höflich und beharrlich Zugang zum Gelände erhalten, das richtige Gebäude finden (H-building), aktives Anstehen um Einlass zu erhalten, „zero-one-counter“ finden und warten. Formular am „counter central“ nach aktivem Anstehen bekommen. Ausfüllen. Zurück zu „zero-one-counter“. Warten. Gesagt bekommen, dass man nun die Fotokopien von Pass und Visum geben solle. Welche Kopien?! „You get copies down in Main Road.“
Der junge Mann am Infoschalter kennt mich schon, anstatt den Weg zur Main Road zu beschreiben (den kenne ich natürlich) schnappt er sich mit dem unnachahmlichen Kopfschütteln der Sri Lanker den Pass und bringt Kopien zurück.
Zurück am 01-Schalter werden die Kopien geprüft und das Formular gegengezeichnet. Jetzt geht es zum Staff Officer, der als einziger ein klimatisiertes Büro („D“) hat. Er prüft den Antrag und Dokumente wortlos, erklärt immerhin noch: „Next twentythree-counter“.
Warten, warten, warten. Nach einiger Zeit erkenne ich, was dort passiert: Hier werden alle Unterlagen (auch Führerscheine, Pässe und Visa) gescannt. Wozu die Kopien?
„Go to three-two-counter, not three-one!“ Warten. Diszipliniert. Langes Warten. Sehr langes Warten. Im Fernsehen läuft VfB gegen Bayern München, vor Ende schaltet einer auf Bollywood um. Am counter müssen alle zahlen, bei mir sind es 2000Rs. „Go to twentyeight“. Das war doch ein Stück die Warteschlange zurück, wo gar niemand anstand! Genau. Weil da niemand arbeitete. Und jetzt auch niemand mehr ist. Die Dame erscheint, wirft einen gelangweilten Blick auf die Quittung, schaut ins System (wo meine Zahlung noch nicht verarbeitet ist, weil am zero-one-counter was nicht erfasst wurde) und: „Go to three-two-counter“. Mein entsetztes Gesicht erweicht sie: „Go to front“. Aktives Anstehen kann ich inzwischen und habe Minuten später meine driving licence, die an der Kasse gedruckt wird. Und zudem die Unterlagen eines Fremden zwischen meinen, der an einem counter zu aktiv angestanden ist…
(Den Rest des Tages verbringen wir mit Shopping in einer Suburb. „Kelleschaufel“ und Designerklamotten zum Spotpreis werden gekauft.)